Muslimische Feder

Die Helfer des Königs der Feder.

Id-ul-Fitr – Denkt an Die, Die stets an Euch dachten

Iqbal lässt die Würfel auf das Spielfeld von „Mensch-Ärgere-Dich-Nicht“ fallen, läuft mit seiner Figur und lacht vor Freude auf, als er eine Figur vom gegnerischem Team eliminieren darf. Hamida, seine Ehefrau, freut sich über den kleinen Triumph ihres Ehemannes und genießt weiter ihren Schwarztee mit Milch. Beide sind schon seit 52 Jahren verheiratet, und können sich nur noch über die kleinen Dinge, wie einen Gewinn im Brettspiel, freuen.

Als es an der Tür klingelt, bleibt Hamidas Herz für einen kurzen Augenblick stehen. Hat am heutigen Tag doch eines ihrer Kinder oder Enkelkinder an sie gedacht? Hamida läuft zögerlich zur Tür, ihre alten Augen sehnen sich heute auch noch nach dem Familienbund, den sie jahrelang gelebt haben, die Hoffnung hat sie nicht aufgegeben. Als sie die Tür öffnet, erwartet sie nur der Postbote, der die tägliche Zeitung bringt. Hamida betrachtet über seine Schultern hinweg die Familien, die nach dem Id-Ul-Fitr-Gebet (dem gemeinsamen Gebet nach der Fastenzeit) aus der Moschee austreten. Sie beobachtet einen kleinen Jungen, der an der linken Hand seinen Opa fest umklammert und an seiner rechten seine Oma. Beim Anblick dieser Glückseligkeit und Freude empfindet auch Hamidas Herz eine innere Ruhe und Wärme. Hamidas Augen schlagen gramerfüllt zu Boden und füllen sich mit Tränen.

Am heutigen Festtag des Fastenbrechens, an welchem für gewöhnlich alle Familien zusammenkommen, schöne Kleider tragen, ein großes Festmahl vorbereitet und am wichtigsten, die Zeit gemeinsam verbracht wird, verbringen Iqbal und Hamida den Festtag alleine in ihrem Ein-Zimmer-Apartment des Altenheimes in Lahore (Pakistan). Während Hamida zurück ins Zimmer geht, denkt sie an die vergangene Zeit zurück. Ihre zwei Söhne schoben den finanziellen Aufwand für die Lebenshaltung der Eltern als Begründung vor, und brachten sie beide an einem Morgen in das 70 km entfernte Altenheim. Hierbei handelt es sich um eine Wohltätigkeitseinrichtung, die finanziell nur durch Spendenbeiträge und minimale Aufnahmegebühren aufrechterhalten wird. Sie beide hatten an diesem Tag vor zwei Jahren, nicht einmal die Zeit gehabt, sich von ihren Enkelkindern zu verabschieden, denn das hätte die Abfahrt ja noch weiter hinausgezögert. Beide sollten so schnell wie möglich deren Haus, das bis dahin wie in Pakistan üblich von mehreren Generationen bewohnt wurde, verlassen. Iqbal schaut zu Hamida auf, sie schüttelt nur den Kopf, um ihm zu signalisieren, dass auch am heutigen Tag keiner daran gedacht hat, sie zu besuchen.

Den Schmerz, den Iqbals Augen zu diesem Moment wiedergeben, ist für Hamida klar erkennbar. Beide nehmen es ihren Kindern dennoch nicht übel. Vielleicht hatten sie einfach nur zu viel zu erledigen am heutigen Feiertag. Beide sprechen dennoch ständig Bittgebete für ihre Kinder aus, dass sie stets gesund bleiben, glücklich sein und voller Zufriedenheit ihr Leben genießen mögen. Iqbal versucht die Situation zu überdenken: Vielleicht empfinden seine Kinder Scham dabei, ihre Eltern an solch einem Ort zu besuchen? Wieso haben es ihre Söhne so weit kommen lassen, ihre eigenen Eltern derart abzustoßen?

Die Gesellschaft im Wandel

Mit dem Wandel der Zeit verändern sich auch gesellschaftliche Normen und Werte. Die Zahl der Anmeldungen in einem Altenheim, die durch die eigenen Kinder vorgenommen werden, steigt jährlich weltweit an. Es ist gar zum Trend geworden, die Fürsorge der Eltern im hohen Alter in die Hände staatlicher Institutionen zu übergeben. Wie viel Gutes der Staat auch leisten mag, er wird Hamida und Iqbal niemals die innere Ruhe, Zufriedenheit und Fürsorge geben können, die Menschen in diesem Alter nötig haben! Die heutige Gesellschaft ist so unter dem Einfluss moderner Bestrebungen gefangen, dass die Fürsorge der eigenen Eltern als Last empfunden wird. Eben jene Eltern, die das eigene Kind mit so viel Liebe und Geborgenheit aufziehen, die ihre Nächte und ihren Schlaf für ihre Fürsorge opfern, werden dann, wenn das eigene Kind selbstständig ist, auf eigenen Füßen steht, als Plage wahrgenommen.

Die Lehre des Islam

Der Islam lehrt den Muslimen:

Dein Herr hat geboten: «Verehret keinen denn Ihn, und (erweiset) Güte den Eltern. Wenn einer von ihnen oder beide bei dir ein hohes Alter erreichen, sage nie „Pfui!“ zu ihnen, und stoße sie nicht zurück, sondern sprich zu ihnen ein ehrerbietiges Wort. Und neige gütig gegen sie den Fittich der Demut und sprich: „Mein Herr, erbarme Dich ihrer, so wie sie mich als Kleines betreuten.» (17:24-25)

Der Güte gegenüber den Eltern ist eine große Bedeutsamkeit zugesprochen worden. Die Verse sprechen von Momenten, wenn das Verhalten einer oder beider Eltern(teile) äußerst anstrengend und manchmal anstößig wird. Als Erwiderung hierauf sollte nicht einmal auch nur der geringste Laut von Abscheu über die Lippen kommen. Der Umgang mit ihnen sollte stets durch Liebe, Fürsorge und Geborgenheit geprägt sein. Aus diesem Grund lehrt die islamische Gesellschaftsphilosophie Generationenkonflikte zu vermeiden, ja, sie sind dem Islam vollkommen fremd.

„Es gilt als Schande und Entehrung für die Alten und Altgewordenen, mit solcher Respektlosigkeit und Gefühllosigkeit behandelt zu werden. Für die meisten Muslime bedeutet es eine Sache großer Schande, die Verantwortung für altgewordene Verwandte dem Staat zu übergeben, selbst wenn der Staat willig wäre, sich um sie zu kümmern“ 1

Der Islam lehrt, die bestmögliche Beziehung zwischen Eltern und Kind aufzubauen. Bei einer Gelegenheit bemerkte der Heilige Prophet des Islam (Friede und Segen Allahs seien auf Ihm):

„Höchst bedauernswert ist der Mensch, dessen Eltern betagt sind und der es versäumt, das Paradies zu erwerben, indem er gut für sie sorgt.“ (Sahih Muslim)

In der islamischen Gesellschaft wird die Liebe zwischen beiden derart nachdrücklich betont, dass es einem Kind unmöglich ist, seine Eltern dann, wenn sie ein hohes Alter erreicht haben, nur dem eigenen Vergnügen, der eigenen „Freiheit“ zuliebe abzuschieben. In muslimisch geprägten Ländern wie Pakistan sollte man dieser neuartigen Entwicklung entgegenwirken. Einer der besten Lösungsansätze ist hier, die Lehren des Islams gründlicher zu studieren, diese zu beherzigen und zu praktizieren. Zudem sollte die Vernachlässigung von religiösen Geboten vermieden werden. Lasst uns an Lösungen arbeiten, die diesem neuen gesellschaftlichen Trend entgegenwirken. Gebt euren Eltern auch die Liebe und Fürsorge zurück, mit welcher sie euch als Kleines versorgt haben, selbst wenn ihr niemals wirklich imstande sein werdet, euch für die elterliche Liebe zu revanchieren! Gebt ihnen die Hand, die sie Euch auch gaben, als Ihr noch nicht auf Euren eigenen Beinen stehen konntet.

Fußnoten

  1. Hadhrat Mirza Tahir Ahmad, Islam – Antworten auf die Fragen unserer Zeit. S. 129ff.
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